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Gemeinsame Presseerklärung am 20.12.2001
BUKO Pharma-Kampagne, Bielefeld
Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) e. V., Berlin
Bundesarbeitsgemeinschaft der Patientenstellen, München
Deutsche AIDS-Hilfe, Berlin
Deutsches Institut für ärztliche Mission (DIFÄM), Tübingen
Medico International, Frankfurt
Verein demokratischer Pharmazeutinnen und Pharmazeuten (VDPP), Hamburg

 

Werbung ist keine Information:
Mediziner, Verbraucherschützer und Patientenverbände gegen Lockerung des Werbeverbots für Medikamente

20.12.01:
Die geplante Lockerung der Werbebestimmungen für Arzneimittel in der Europäischen Union wird von sieben Verbraucher-, Patienten- und medizinischen Fachorganisationen entschieden abgelehnt. Mit dem vorgeschobenen Argument der "Patienteninformation" droht der Patientenschutz ausgehöhlt zu werden und der Manipulation und Desinformation wird Vorschub geleistet.
Bisher ist es verboten, für verschreibungspflichtige Medikamente direkt bei Patienten zu werben. Der Änderungsvorschlag der Europäischen Kommission will patientengerichtete Werbung für die Krankheiten AIDS, Diabetes und Asthma erlauben. Diese Art von Werbung ist bislang nur in den USA und Neuseeland zugelassen. Es ist zu befürchten, dass die schlechten Erfahrungen aus diesen Ländern auch in Europa Wirklichkeit werden könnten.
In den USA sind die Kosten im Gesundheitswesen durch die Ausweitung der Medikamentenwerbung enorm gestiegen. Es wird fast ausschließlich für neue und teure Medikamente geworben, deren Mehrkosten in den wenigsten Fällen mit einer verbesserten Therapie zu rechtfertigen sind.
Thomas Isenberg vom Verbraucherzentrale Bundesverband warnte davor, Arzneimittel als normale Konsumgüter zu betrachten. "Viele Medikamente unterliegen der Rezeptpflicht, da es sich um kritische Wirkstoffe handelt, bei denen Schaden und Nutzen oft sehr nahe beieinander liegen", so Isenberg. "Der sorgfältige Umgang mit Arzneimitteln ist oberstes Gebot des Verbraucherschutzes und Patientenwerbung widerspricht der Gesundheitsvorsorge."
Damit Patienten selbst etwas über sinnvolle Therapiemöglichkeiten herausfinden können, ist der Zugang zu unabhängigen Informationen notwendig. Gundhild Preuß-Bayer vom Bundesverband der Patientenstellen: "Die PatientInnen haben ein Anrecht auf ausgewogene Informationen, die von unabhängigen Quellen stammen müssen. Werbung der Pharmaindustrie dagegen manipuliert und desinformiert. Irreführend ist die Behauptung, die Lockerung des Werbeverbots sei auf Wünsche von Patientengruppen zurückzuführen", so Preuß-Bayer. "Wir treten für die Interessen der PatientInnen ein und lassen uns nicht als Lobby für die Vermarktungsinteressen der Pharmaindustrie missbrauchen."
Unabhängige Information statt manipulativer Werbung fordert auch Armin Schafberger von der Deutschen AIDS-Hilfe: "Werbung weckt oft falsche Hoffnungen und kann sogar gefährlich werden. In San Francisco wurden Werbeaktionen abgemahnt, die suggerierten, AIDS sei einfach und erfolgreich zu behandeln. Diese Werbung drohte die Präventionsarbeit der vergangenen Jahre zunichte zu machen."
Pharmazie-Experten halten die Patientenwerbung für unnötig. Jürgen Große vom Verein demokratischer Pharmazeutinnen und Pharmazeuten: "Neue Medikamente werben für sich selbst, wenn sie entscheidende therapeutische Fortschritte erzielen." Da nur wenige innovative Medikamente auf den Markt gebracht werden, will die Pharmaindustrie den Umsatz mit aggressiven Werbemethoden steigern. In den USA spielen dabei Lifestyle-Medikamente (z.B. das "Potenzmittel" Viagra oder Schlankheitsmittel) und "Scheininnovationen" wie das Rheumamittel Vioxx eine entscheidende Rolle.
Christian Wagner (BUKO Pharma-Kampagne): "Die Strategie der PatientInnenwerbung erwies sich in den USA als sehr lukrativ und soll deshalb auch im weltweit zweitgrößten Arzneimittelmarkt Europa durchgesetzt werden. Die geplante Regelung dient als Türöffner für Pharmakonzerne, um eine generelle Zulassung von PatientInnenwerbung für rezeptpflichtige Medikamente durchzusetzen."
Dieser Dammbruch hätte weltweite Auswirkungen. Andreas Wulf (Medico International): "Eine Lockerung der Werbebestimmungen in Europa hat negative Vorbildfunktion für die so genannte ‚Dritte Welt'. Bei bekanntermaßen schwachen Kontrollbehörden und dem häufigen Fehlen unabhängiger Informationsquellen würde diese Art Werbung verheerende Folgen haben." Zudem kritisiert Wulf die Forschungsschwerpunkte der Industrie: "Zwar haben 75% der Weltbevölkerung nur einen Anteil von 10% am Weltpharmamarkt, das rechtfertigt aber nicht, dass nur 1% der Forschungsausgaben für Krankheiten in armen Ländern aufgewendet werden."

Bei Rückfragen:
Dr. Christian Wagner (BUKO Pharma-Kampagne) Tel. 0521-60 550, mobil: 0162-81 16 377
e-mail: bukopharma@compuserve.com
Thomas Isenberg (Leiter Fachbereich Gesundheit/Ernährung, Verbraucherzentrale Bundesverband) Tel: 030-25 80 04 31, mobil: 0177-58 09 297
Jürgen Große (VDPP): Tel. 040-45 87 68
BAG der Patientenstellen: Tel. 089-76755131
Andreas Wulf (medico international) Tel. 069-944 38-0